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Buenos Aires Tag6

Montag, 19. November 2012 , von Freeman-Fortsetzung um 18:00

Übers Wochenende war ich in den Aussenbezirken von Buenos Aires unterwegs, um mir die Lebensverhältnisse der "normalen Bürger" anzuschauen. Was mir aufgefallen ist, die Sicherheitsmassnahmen die hier getroffen werden sind extrem, um sich vor Einbrechern zu schützen. Jedes Haus ist von einer Mauer umgeben und zur Strasse ist ein hoher Metallzaun aufgestellt. Alle Fenster und Balkone sind bis in die oberen Stockwerke vergittert. Die meisten Hausbesitzer haben mindestens einen Hund, wenn nicht mehrere, die sofort bellen wenn jemand vorbeiläuft oder am Eingang steht. Die Autos lässt man nicht auf der Strasse stehen, sondern werden auch hinter Gittern oder in der Garage versorgt.



Ich werde von allen Seiten gewarnt sehr vorsichtig zu sein, zum Beispiel wegen meiner Kamera. Überfälle und Entreissdiebstähle wären an der Tagesordnung, heisst es. Die Leute beschweren sich, die Regierung tue zu wenig, um gegen die Kriminalität vorzugehen. Die Strafen, wenn überhaupt, seien viel zu milde. So herrscht die umgekehrte absurde Situation, die Bürger sitzen hinter Gittern in ihren Häusern und die Verbrecher laufen draussen frei herum. Viele Einbrüche werden der Polizei gar nicht gemeldet, da sie sonst alles über die Verhältnisse im Haus und die Sicherheitsmassnahmen wissen. Dann bekommt man den nächsten unfreundlichen Besuch abgestattet.



Was auch für uns ungewöhnlich ist, die Wasserversorgung wird nicht zentral von der Gemeinde zur Verfügung gestellt, sondern jedes Haus muss sich selber darum kümmern. So zapfen die Hausbesitzer das Grundwasser auf ihrem Grundstück an und pumpen das Wasser in einen Tank auf dem Dach. Aus dieser Höhe erfolgt dann der Druck auf die Wasserleitungen im Haus. Das heisst aber, ohne ein öffentliches Wassersystem gibt es keine Hydranten auf den Strassen. Wenn ein Haus brennt möchte ich gerne wissen wie sie dieses löschen. Nur mit den Fahrzeugen der Feuerwehr (bomberos) mit dem mitgebrachten Wasser? Deren Tanks sind doch nach 5 Minuten leer.

Von Stromleitungen in den Boden verlegen haben sie auch scheinbar nichts gehört. Die Leitungen für Strom und Telefon sind wie Wäscheleinen überall gespannt, von den Masten kreuz und quer zu den Häusern im wildesten Kabelsalat. Nicht nur ist das optisch unschön, sondern bei jedem Sturm kommt es zu längeren Stromunterbrüchen, wenn die Leitungen abreissen und runterfallen. Irgendwie sieht alles so provisorisch aus, wie schnell und billig aufgestellt, ohne Plan und ohne längere Sichtweise. Die die es sich leisten können haben eine Stromgenerator für solche Ausfallzeiten.



Eine Besonderheit in Buenos Aires, jedenfalls für mich, sind die Körbe die vor jedem Haus in den Aussenbezirken aufgestellt sind. Der Korb befindet sich ca. 1,2 Meter über den Boden und darin werden die Abfallsäcke deponiert. Damit soll vermieden werden, dass die streunenden Hunde und Katzen die Müllsäcke aufreissen und alles auf der Strasse verteilen. Nur in der Innenstadt gibt es Container für die Abfallsäcke, die jeden Tag geleert werden. Statt den Abfall zu verstecken wird er dadurch wie auf dem Präsentierteller sichtbar ausgestellt.

Noch eines was mir aufgefallen ist, in Argentinien gibt es fast keine Verkehrsschilder auf den Strassen. Praktisch überhaupt keine. Ohne Vortritts- oder Stoppschilder habe ich gefragt, wie weiss man wer an einer Kreuzung ohne Ampel fahren darf? Die Antwort die ich bekommen habe, das geht nach Gefühl oder der stärkere hat Vortritt. Ich hab nicht erkennen können, was eine vortrittsberechtigte Strasse ist, und rechts vor links hat auch nicht immer gegolten. Nachts fahren bei weniger Verkehr sowieso alle über die roten Ampeln. Da wird nur kurz gebremst und wenn keiner kommt weitergefahren.

Wenn man Argentinien besuchen und hier verstanden werden will empfehle ich unbedingt ein Grundwissen an Spanisch sich vorher anzueignen. Fast niemand spricht Englisch oder eine andere Sprache, ausser in den grösseren Hotels und Touristenfallen. Mit Italienisch kommt man noch am ehesten weiter. Es sind sehr viele Touristen hier, die meisten aus Brasilien, weil es für sie scheinbar günstig ist, obwohl die Preise nach meinem Empfinden mit Europa verglichen und wenn man das Einkommen hier mitkriegt relativ hoch sind. Es gibt den bekannten BigMac-Index als weltweiten Preisvergleich. In Buenos Aires kostet so ein Burger gleichviel wie in Deutschland, umgerechnet ca. 3,70 Euro.

Regenwald Chernobyl

Der Krieg auf juristischer Ebene zwischen Lateinamerika und den amerikanischen Grosskonzernen geht weiter. Ein Richter hat in Buenos Aires die Beschlagnahmung der gesamten Vermögenswerte des Ölmultis Chevron in Argentinien verkündet. Es geht um die Durchsetzung einer vom Gericht zugesprochenen Schadenssumme in Höhe von 19 Milliarden Dollar, wegen der Verschmutzung des Amazonas in Ecuador. Texaco, die mit Chevron 2001 sich zusammengetan hat, musste zugegeben zwischen 1964 und 1992 sagenhafte 50 Milliarden Liter an hochgiftigen Abwässer in Bäche und Flüsse des Amazonasgebietes in Ecuador eingeleitet zu haben, die von den Bewohnern als Trinkwasser benutzt wurden und sie krank machte. Umweltschützer nennen es das "Regenwald Chernobyl".

30'000 Menschen reichten 1993 eine Sammelklage ein und ein Gericht in Ecuador hat nach langjährigem Gerichtsverfahren den amerikanischen Ölmulti Chevron zu einer Schadenssumme von 19 Milliarden Dollar verurteilt. Laut einer Studie werden 9'000 Menschen an Krebs erkranken und die Säuberung ist immer noch nicht durchgeführt. Die Kläger versuchen nun in Brasilien, Kolumbien, Kanada und anderen Ländern mit Pfändungsbeschlüssen die Firma zur Zahlung des Schadenersatzes zu zwingen. Das Urteil in Argentinien ist ein erheblicher Rückschlag für Chevron, die sich bisher von einer Zahlung gedrückt haben.

"Wir haben fast zwei Jahrzehnte für eine Korrektur der Ungerechtigkeit gekämpft, welche Chevron in Ecuador verursacht hat," sagte Pablo Fajardo Mendoza, der führende Anwalt im Gerichtsverfahren und der auch in den Ölfeldern aufgewachsen ist, die Texaco ruinierte. "Während Chevron meint den Gerichtsbeschluss in Ecuador ignorieren zu können, ist es für Chevron unmöglich die Beschlüsse in Ländern zu ignorieren, wo sie erhebliche Vermögenswerte haben," fügte er hinzu. Jetzt sind Werte in Höhe von 2 Milliarden Dollar erst mal eingefroren, so wie die jährlichen Einnahmen von 600 Millionen Dollar der Firma in Argentinien.

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insgesamt 2 Kommentare:

  1. Kanzler sagt:

    Man muss sich vereinigen im wirtschaftlichen und ökologischen Krieg gegen überdimensionierte internationale Großkonzerne ohne Ethik und Verantwortung, die sich zum Ziel gesetzt haben, alle dreist auszubeuten um sich selbst zu bereichern.

    Ein Pfeil allein kann leicht gebrochen werden, aber gemeinsam ist es solider als die Ungerechtigkeit.

  1. yilmaz sagt:

    Der Satz ist einfach gut:
    "So herrscht die umgekehrte absurde Situation, die Bürger sitzen hinter Gittern in ihren Häusern und die Verbrecher laufen draussen frei herum."

    Die grosse Mehrheit muss sich vor ein paar Gangstern verstecken, ist schon eine schizophrene Welt...
    die Täter werden geschützt und die Opfer lässt man alleine...